Bamberg, 09. März 2023. Im Interview erzählt uns Joachim Sperber, wie er den Neubau seines Autohauses nachhaltig gestaltet und so ein gutes Stück weiter auf den Weg zur Klimaneutralität gebracht hat.
Gleich zum Einstieg: Du oder Sie?
Gerne per Du! Auch das ist für mich nachhaltig: Offene, klare und persönliche Kommunikation. Davon braucht es heutzutage generell mehr. Über unsere Erfolge, aber auch über Ziele und vielleicht unrealistische Erwartungen.
Eine tolle Einstellung! Gab es denn beim Bau unrealistische Erwartungen?
Ja. Wir hatten vor, nicht nur das fertige Gebäude, sondern auch schon die gesamte Bauphase möglichst nachhaltig zu gestalten. Dazu wollten wir keinerlei fossile Brennstoffe verbrauchen, was sich dann in der Praxis leider als nicht haltbar herausgestellt hat.
Wie kam es dazu?
Im Endeffekt durch den massiven Zeitdruck und einen ungewöhnlich kalten Winter 2017. Wir hatten eine ganz klare Zeitschiene, die wir unbedingt einhalten mussten. Hintergrund war die Vertragsverlängerung mit BMW. Unsere beiden alten Häuser erfüllten die Vorgaben nicht mehr, und wir hatten uns bereits gegen eine Sanierung und für ein neues Gebäude entschieden, in dem wir beide ehemaligen Zweigstellen zusammenlegen wollten. Das musste bis Oktober 2018 fertiggestellt sein, denn da starteten die neuen Konzessionen.
Das klingt anspruchsvoll. Wie lange lief die Bauphase denn insgesamt?
Die erste Planung haben wir schon 2015 gestartet. Das war notwendig, weil bei solch einem komplexen Projekt eine Menge Leute mit am Tisch sitzen. Zum einen hatten wir natürlich einen eigenen Architekten engagiert; hinzu kam noch die Baubetreuung von BMW, die dafür ebenfalls ein externes Unternehmen beauftragt hatten. Und als dritte Partei gibt es dann nochmal eine Zentralabteilung in München bei BMW selbst, die alle wesentlichen Planungsschritte absegnen muss. So hatten wir für die eigentliche Bauphase am Ende nur ein Jahr Zeit. Da war kein Spielraum mehr für größere Pausen; als dann der Rekordwinter in 2017 zuschlug, kamen wir um Dieselheizungen auf der Baustelle nicht mehr herum.
Dafür ist das Gebäude jetzt aber umso nachhaltiger geworden?
Genau. Seit die Bauphase abgeschlossen ist, heizen wir hier nur noch mit Geothermie. Wir nutzen 22 Sonden in großer Tiefe, die uns warmes Wasser mit sehr konstanter Temperatur liefern. Im Winter macht das eine sehr angenehme Wärme über die Fußbodenheizung, was die Mitarbeiter ebenso wie die Kundschaft sehr zu schätzen wissen.
Und im Sommer? Bei den riesigen Glasflächen denkt man zunächst einmal nicht an Energieeffizienz.
Im Gegenteil: Das sind natürlich alles dreifach verglaste Isolierfenster! Aber auch sonst haben wir uns bei der Isolierung einiges einfallen lassen. Da ist zum Beispiel die Dachbegrünung zu nennen, die sowohl als Wärmedämmung wirkt als auch Hitze fernhält. Außerdem speichert sie Wasser und hat auch für unsere Nachbarschaft noch einen tollen Effekt. Vom angrenzenden Wohngebiet schaut man so nicht nur auf grauen Beton und Fenster, sondern auch auf riesige Grünflächen. Und was die Effizienz angeht: Im Sommer haben wir bei 36°C im Schatten drinnen angenehme 19°C – ausschließlich über Wärmetauscher, die Erdwärme – oder in dem Fall Kälte – nutzen. Alles was wir noch brauchen ist etwas Strom für die Lüfter und Pumpen.
…der aber auch nachhaltig produziert wird?
Richtig. Wir haben nach KfW 55 – Standard gebaut, da ist einen gewisser Teil an Photovoltaik obligatorisch. In unserem Fall waren das 40 kW, aber das Potential liegt allein schon aufgrund der Fläche viel höher. Deswegen haben wir in 2022 den weiteren Ausbau beauftragt. Wenn der abgeschlossen ist, können wir in der Spitze 430 kW Leistung nur aus unserer PV-Anlage abrufen. Über das Jahr verteilt verbrauchen wir etwa 400.000 kWh, davon werden etwa 20% für unsere Wärmepumpen verwendet. Wir produzieren also unseren kompletten Strom selbst. Außerdem haben wir direkt am Haus auch 12 E-Ladesäulen, die gern und ausgiebig genutzt werden. Durch den Ausbau ist jetzt sogar noch genug Strom vorhanden für zwei High-Voltage-Charger mit jeweils 300 kW, die wir bei Bedarf auch in vier Ladepunkte mit 150 kW aufteilen können.
Gab es noch weitere Herausforderungen wegen des KfW-Standards?
Erstaunlicherweise nicht. Ich habe mir da im Vorfeld auch so meine Gedanken gemacht. Ein Faktor ist zum Beispiel die Dichtheit: Wir reden hier nur bei unserem Hauptgebäude über 9.200 m2 auf zwei Etagen. Da gibt es eine Menge Türen, Fenster und Lüftungsschächte – wie will man sowas dicht bekommen? Da war meine Sorge aber völlig unbegründet. Bei der Abnahmeprüfung hat der Aufbau der Ventilatoren noch mit Abstand die meiste Zeit benötigt. Der Test war dann in ein paar Minuten vorbei. Das ist ein phänomenales Ergebnis bei so einem riesigen Gebäude. Hinterher haben wir dann noch festgestellt, dass wir die Lüftung in der Werkstatt vergessen hatten – trotzdem haben wir die Prüfung mit wehenden Fahnen bestanden. In der Realität liegen wir also sogar noch besser.
Über Strom, Wärme und Kälte haben wir jetzt schon gesprochen. Wie sieht es denn mit dem Wasserverbrauch aus?
Auch sehr gut. Wir verfügen hier mit Nebengebäuden und allem drumherum über eine Gesamtfläche von über 20.000 m2. Da fällt natürlich einiges an Oberflächenwasser an, das wir komplett bei uns versickern lassen. Dazu nutzen wir zum Beispiel eigene Sickergruben, aber auch die zahlreichen Grünstreifen. Das hat zwar einiges an finanziellem Zusatzaufwand erfordert; der amortisiert sich aber recht schnell, da wir fast nichts in die Kanalisation entlassen. Und wir entziehen der Natur und dem natürlichen Kreislauf keinen Tropfen Wasser!
Das klingt ja gut. Aber was ist mit dem Wasser zum Beispiel für Waschanlagen?
Ein wichtiges Thema. So eine Waschanlage verbraucht einiges an Wasser, und gerade bei uns in Deutschland muss man ja immer bedenken: Das ist alles qualitativ hochwertiges Trinkwasser! Hier war uns sofort klar, dass wir uns etwas einfallen lassen müssen. So sind wir auf die Firma Aqua Detox gekommen. Wir haben eine eigene Wasseraufbereitungsanlage installiert, die es wirklich in sich hat. Die Reinigung erfolgt in einem Drei-Kammer-System, danach wird das Wasser noch einmal gefiltert und hat dann wieder Trinkwasser-Qualität – egal, was da vorher an Verunreinigungen drin war. Von Öl über Bremsenreiniger bis hin zu Bremsstaub – das ist alles komplett rausgefiltert. Wir hatten auch in unseren alten Häusern schon solche Anlagen, die haben allerdings weniger gut funktioniert. Heute haben wir unseren Wasserverbrauch im Vergleich zu 2017 um 90% gesenkt und liegen im Schnitt bei 50 bis 60 m3 im Monat.
Nur mal zum Spaß: Ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit 120 m2 verbraucht etwa 15 m3 im Monat; das sind also 129 Liter pro m2. Wir liegen hier bei 5 bis 6 Litern. Und wir waschen hier 100 Fahrzeuge am Tag.
Joachim, das klingt alles sehr interessant und durchdacht. Was kannst Du uns sonst noch erzählen?
Die wesentlichen Faktoren sind tatsächlich Strom, Wärme und Wasser. Auch weil wir konsequent auf LED-Beleuchtung setzen, sparen wir natürlich eine Menge Energie. Aber es gibt auch noch einige kleinere Themen, die trotzdem sehr wichtig sind. Wir haben zum Beispiel ein eigenes, komplett abgeschlossenes Gebäude, in dem wir unsere Abfälle trennen und bis zur Entsorgung lagern. Bei uns fällt natürlich einiges an – das reicht von Papierhandtüchern über ölverschmutzte Putzlappen bis hin zu Chemikalien, die wir für die Wartung und Reparatur der Fahrzeuge benötigen. Das sammeln wir alles, trennen es streng und lassen es von speziellen Entsorgungsfirmen abholen, die sich um das Recycling kümmern. Außerdem achten wir beim Einsatz von unseren Betriebsstoffen streng auf Umweltsiegel. Das kostet zwar manchmal etwas mehr, aber unsere Kunden zahlen das gern.
Auch beim Putz und den Farben für das Gebäude bis hin zu den Möbeln und Teppichen haben wir auf Nachhaltigkeit geachtet. Das ist alles natürlich und frei von Chemikalien, Klebstoffen und allem, was über die Zeit so ausdünsten kann. Das merkt man auch sofort, wenn man hier mal tief Luft holt – das Raumklima ist wirklich spitze, was uns auch von unseren Mitarbeitern und Kunden immer wieder zurückgemeldet wird.
In Summe sind wir wahrscheinlich noch eine längere Zeit eines der grünsten Autohäuser in ganz Deutschland.
Wie wichtig siehst Du Nachhaltigkeit in der Zukunft?
Ich glaube, dass sich das Thema noch viel stärker in jeden Lebensbereich ausweiten wird. Da gibt es natürlich die ganzen Zertifikate und Ratings, auf die Kunden zunehmend achten; hinzu kommt noch die immer strengere Gesetzgebung. Aber auch beim Thema Mitarbeitergewinnung zählt natürlich die Einstellung der Firma, bei der man arbeitet. Und das Bewusstsein in der Allgemeinheit nimmt natürlich auch stetig zu. Ich denke, je nachhaltiger man arbeitet, handelt und wirtschaftet, desto erfolgreicher wird man in Zukunft sein – auf allen Ebenen.